Monday, June 27, 2005

Plansprachen und Co

1. Die vollkommene Sprache

Mit einer paradiesischen Welt wird stets auch die Vorstellung vom Fehlen jeglicher Verständigungsbarrieren und somit das Vorhandensein einer einzigen Menschensprache verbunden. Immer wieder wurde daher versucht, die babylonische Sprachenverwirrung rückgängig zu machen und eine einheitliche – wenn nicht gar vollkommene – Sprache zu entdecken.

War es im christlich-jüdischen Bereich ursprünglich die adamitische Sprache – oftmals mit dem Hebräischen gleichgesetzt – die die verloren gegangene Einheit und Vollkommenheit der menschlichen Kommunikation verkörperte, nach der sich die Menschheit sehnte, nahm später das Latein diesen Platz ein. Obwohl die Realität durch den Sprachwandel ein Zerfleddern des Lateins in mehrere sehr unterschiedliche Varietäten zeigte, wurde am Ideal des klassischen Lateins als Lingua franca divina (göttliche Gemeinsprache) festgehalten. Sie war die zu erwerbende Vatersprache, die alle Muttersprachen (Volkssprachen) an Vollkommenheit und Eleganz übertraf. Daher wurde sie zum Maßstab, an der alle anderen Sprachen gemessen wurden. In Ungarn verlor sie erst 1848 den Status einer Amts- und Verwaltungssprache.

Erst in der Renaissance sollte sich diese Situation langsam ändern. Hier ist vor allem das Werk „De vulgari eloquentia“ von Dante Aleghieri (1305) hervorzuheben, der zum ersten Mal auf die Göttlichkeit und Ursprünglichkeit der Volkssprachen hinwies. Er war somit der Initiator und Wegbereiter für die italienische Hochsprache. Insbesondere in der Reformation kam es dann zu einer allgemeinen Aufwertung der Volkssprachen. Überall in Europa gab es nun Bemühungen, neue sprachliche Standards zu entwickeln, damit die Bibel in eine allgemeinverständlichere Sprache übersetzt werden kann. Hier ist vielleicht darauf hinzuweisen, dass die so genannten Standardsprachen (Akrolekte), also Sprachen, die innerhalb bestimmter Grenzen formale Gültigkeit besitzen, im weiteren Sinne ebenfalls Plansprachen darstellen: Wortschatz, Grammatik, Orthographie und Aussprache sind kodifiziert und normiert, ohne dass sie sich mit einem gegebenen Idiom decken müssen. Es wird eine künstliche Sprachnormierung und Sprachidealisierung vorgenommen, wie sie für Plansprachen charakteristisch ist. Daher verändern sich Standardsprachen auch weniger rasch (bis gar nicht) im Vergleich zu natürlichen Sprachen, da sie normativen Charakter haben, der festgeschrieben ist.

Jetzt ist vielleicht der Punkt erreicht, ein paar prinzipielle Überlegungen zu Plansprachen vorzunehmen. Grundsätzlich können Plansprachen – je nach Gesichtspunkt – in jeweils zwei Teilgruppen gegliedert werden: einerseits können Plansprachen a posteriori von Plansprachen a priori unterschieden werden, andererseits formale Plansprachen von nichtformalen Plansprachen.

1.1.1. Plansprachen a posteriori

Plansprachen a posteriori sind künstliche Sprachen, die aus vorhandenem (natürlichem) Sprachmaterial schöpfen. Dabei können monosprachliche Systeme – also Sprachsystemen, die ihr Material nur aus einer natürlichen Sprache beziehen – polysprachlichen Systemen gegenübergestellt werden, die eine Kombination von Teilsystemen aus verschiedenen natürlichen Sprachen darstellen.

1.1.2. Plansprachen a priori

Plansprachen a priori sind frei erfundene künstliche Sprachen, die sich nicht auf natürliches Sprachmaterial stützen. Der Wortschatz ist keiner natürlichen Sprache entnommen sondern – wie auch die Grammatik – willkürlich konstruiert. Zumeist stehen rationalistische Konzepte im Hintergrund.

1.2.1. Formale Plansprachen

Formale Plansprachen sind mathematisierte Modellsprachen, die nach axiomatisch nach festgelegten Regeln aus Grundelementen aufgebaut sind. Eine formale Sprache L besteht aus einer (endlichen oder unendlichen) Menge von endlichen Wörtern (das sind die wohlgeformten oder erlaubten Zeichenketten) über einem endlichem Alphabet (das ist das Zeichenrepertoire). Noam Chomsky hat eine Hierarchie für formale Grammatiken aufgestellt, die verschiedene Typen von formalen Sprachen erzeugen (Chomsky-Hierarchie).

1.2.2. Nichtformale Plansprachen

Nichtformale Plansprachen gleichen im Prinzip unseren natürlichen Sprachen. Allerdings lassen sich Teile einer natürlichen Sprache so formalisieren, dass sich daraus eine formale Sprache ergibt. Falls es gelingen sollte, alle Teile einer natürlichen Sprache derart zu formalisieren, wären die nichtformalen Sprachen nur ein Spezialfall (eine echte Teilmenge) der formalen Sprachen. Derzeit sieht es aber so aus, als seien die formalen Sprachen der Spezialfall.

1.3. Motive für Plansprachen

Welche Motive gibt es für die Planung von Sprachen? Ist es im Anfang die Suche nach der Ursprache, die gleichzeitig als die vollkommenste – weil göttliche – Sprache gegolten hat, gewesen, so treten im Laufe der Geschichte noch andere Motive in den Vordergrund. Mit dem oben genannten Zerfleddern des Lateins und dem Eindringen neuer Volkssprachen in die lateinische Welt ist der Wunsch nach der Überwindung der Verständigungsbarrieren in den Vordergrund getreten. Es sollte eine neutrale Gemeinsprache geben, die in der Lage ist, diese Trennung der Menschheit in sprachliche Nationen zu überwinden. Doch auch innerhalb einer Sprache gibt es Verständigungsbarrieren: Ambiguität, Vagheit und Mehrdeutigkeit sind notorische Eigenschaften aller natürlichen Sprachen, sodass immer wieder die Forderung erhoben wurde, diese Unzulänglichkeiten in der Sprache zu beseitigen. Nicht mehr die Ursprache gilt als vollkommen, nein, die vollkommene Sprache muss erst erschaffen werden!

2.1. Logik und Grammatik

Schon in der Scholastik wurde nach dem Grundprinzip aller Sprachen gesucht, allerdings im Lateinischen oder im Hebräischen, da angenommen wurde, dass diese Sprachen diese Grundprinzipien am ursprünglichsten verkörperten. Vor allem im 13. Jahrhundert wurde heftig und mit logischen Mitteln am Turm der Grammatik gebaut. Am deutlichsten drückte diesen Zugang zur Sprache der Gelehrte Thomas von Erfurt in seinem Hauptwerk »Tractatus de modis significandi seu Grammatica speculativa«, das irrtümlich Duns Scotus zugeschrieben wurde, aus: „Sind alle Sprachen [idiomata] eine Grammatik? Ja, weil die Natur der Sachen, ihre Seinsweise und Wahrnehmungsweise bei allen Menschen ähnlich sind; und infolgedessen sind auch die Weisen des Bezeichnens [modi significandi], des Konstruierens und Sprechens, die die Grammatik ausmachen, ähnlich. Und so ist die ganze Grammatik, die in einer Sprache ist, ähnlich der in einer andern und ist der Art nach mit dieser identisch; Unterschiede entstehen nur durch die verschiedenen Abwandlungen der Wörter, welche Akzidentien. Die Redeteile sind in den verschiedenen Sprachen essentiell dieselben, akzidentiell verschieden. Dass also die einen ein Artikel haben oder etwas der Art und die andern nicht, ist akzidentiell. Und wie in den verschiedenen Sprachen die Redeteile, die die Substanz der Bezeichnungsmodi sind, nur der Zahl, nicht der Art nach verschieden sind, so auch die Bezeichnungsmodi selbst…“

Die Idee dahinter ist einfach: Grammatik ist gleich Logik – oder anders ausgedrückt: die Grammatik lässt sich aus der Logik ableiten. Diese Grundidee taucht dann im 17. jahrhundert wieder auf und führt 1662 zur Logik von Port Royal (Antoine Arnault und Claude Lancelot), die dann vor allem auf Leibnitz auf fruchtbaren Boden fällt. Er entwickelte die Idee von einer lingua generalis (Universalsprache), die auf einer grammatica rationalis (Vernunftgrammatik) ruht und damit gesicherte Erkenntnisse liefert. Außerdem würde die Geistmechanik dadurch auch automatisierbar werden.

2.2. Begriffschriften und Pasigraphien

Ein anderer Weg, um eine gemeinsames Kommunikationsmittel über die nationalen Sprachen zu stülpen, führte schon früh die Entwicklung von Begriffsschriften. 1668 publizierte Bischof John Wilkins seinen „Essay Towards a Real Character“. Darin macht er einen Entwurf für eine von der jeweiligen Sprache unabhängige Begriffsschrift. 1696 veröffentlichte der Händler Francis Lodwick sein Buch „A Common Writing“, ein sehr originelles Werk, das großen Einfluss auf spätere Modellierungssprachen hatte. Umberto Eco schrieb 1994 folgendes über ihn: Lodwick hat also die originelle Idee, nicht von den Substantiven auszugehen (den Nomina oder Namen von Individuen und Gattungen, wie es in der aristotelischen Tradition noch bis zu seiner Zeit üblich war), sondern von Handlungsmustern, und er bevölkert dann diese Handlungsmuster mit Akteuren bzw. mit jenen Figuren, die wir heute Aktanten nennen würden, d.h. mit abstrakten Rollen, die sich dann mit Namen von Personen oder Dingen oder Orten verknüpfen lassen als Handelnde, Gegen-Handelnde, Objekte der Handlung und so weiter.

Einen anderen Weg schlug Gottlob Frege ein, der 1879 sein Buch Begriffsschrift, eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens veröffentlichte, dessen Bedeutung zunächst völlig verkannt wurde. Durch dieses Werk, das einem modernen prädikatenlogischen Kalkül erster Stufe mit Identitätsbeziehungen entspricht, wurde Frege zum Begründer der symbolischen Logik.

Die Isotypen (International System of Typographic Picture Education, 1936, Vorarbeiten seit 1926) von Otto Neurath waren eigentlich als pädagogisches Instrument zur Veranschaulichung von wissenschaftlichen und statistischen Daten gedacht, wurden aber als neues Kommunikationsdesign stilprägend und beeinflussten nachhaltig die Gestaltung visueller Leitsysteme.

Charles Bliss ließ sich bei seiner Begriffsschrift von der chinesischen Schrifttradition inspirieren (1971): er entwickelte eine Sammlung von pikto- und ideographischen Symbolen, die kombiniert werden können, um Sätze oder auch neue Begriffe zu erzeugen. Seine Bemühungen blieben aber ohne weitere Wirkung.

Ein sehr innovatives Projekt stammt von Leonard Heinzmann. Er entwickelte eine so genannte Lautbildschrift (1998). Seine Piktogramme sind aus einer festgelegten Anzahl von graphischen Elementen zusammengesetzt, die auch einem Lautwert entsprechen. So ergibt sich aus jedem Piktogramm auch ein Lautbild bzw. ein aussprechbares Wort, das eindeutig dem Bild entspricht. Auf diese Weise entsteht – ausgehend von den schematisierten Abbildern – eine allgemein verständliche Welthilfssprache.

2.3. Programmiersprachen

Die Idee zu einer Automatisierung der „Gedankenmechanik“ stammt von Gottfried Wilhelm Leibniz und seinen Zeitgenossen. Mit seiner Dyadik (dem binären Code) hat er aber eine wichtige Grundlage dafür geliefert. Er konstruierte 1673 auch eine mechanische Rechenmaschine.

Ada Lovelace, die eheliche Tochter von Lord Bryon, gilt als die erste Erfinderin einer Programmiersprache. Charles Babbage hat Konstruktionspläne sowie eine Beschreibung für eine Analytische Maschine in französischer Sprache vorgelegt, die von Lovelace ins Englische übersetzt wurden. Daraufhin hat sie eine Routine verfasst, wie mit dieser Maschine die Bernoulli-Zahlen berechnet werden können. Diese Pionierarbeit stellt den ersten Entwurf einer Programmiersprache dar.

Als die erste universelle Programmiersprache für elektronische Rechner gilt das Plankalkül vom Computerkonstrukteur Konrad Zuse. Obwohl schon 1942 entworfen, wurde diese Computersprache erst im Jahr 2000 an der Freien Universität in Berlin erprobt.

2.4. Welthilfssprachen

Als Welthilfssprache oder Universalsprache wird jede Plansprache bezeichnet, die als Ergänzung zu den Nationalsprachen als „Lingua franca“ (übernationale Verkehrssprache) fungieren soll. Die Idee dahinter ist, dass ein neutrales Kommunikationsmittel weltweit eine Verständigung unter den Nationen ermöglichen wird. Die neue Sprache ist aber nicht dazu gedacht, die Nationalsprachen zu ersetzen, sondern soll diese eben nur ergänzen. Hier möchte ich nun eine Auswahl der wichtigsten Entwürfe kurz darstellen.

2.4.1. Solresol

Der Musiker Jean-François Sudre stellte 1817 seine Universalsprache vor, die er völlig unabhängig von jeder nationalen Prägung gestaltete, indem er nur die sieben Silben der Musik als sprachliche Elemente verwendete. Jede Silbe kann ein eigenes Wort sein (do – nein/nicht, re – und, mi – oder, fa – an/zu/bei, sol – wenn, la – der/die/das, si – ja), verkörpert aber bei mehrsilbrigen Wörtern in der ersten Silbe auch eine semantische Grundbedeutung (do – Moral/Körperlichkeit, re – Familie/Haushalt/Kleidung, mi – Tätigkeiten, fa – Landwirtschaft/Reisen/Krieg, sol - Kunst/Wissenschaft/Medizin, la – Industrie/Handel, si – Recht/Gesellschaft/Verwaltung). Dabei legt dann der Akzent und die Silbenlänge die Wortart, die grammatische Kategorie, das Geschlecht oder die Zahl fest. Solresol verfügt über insgesamt 2.660 Wörter: 7 einsilbrige, 49 zweisilbrige, 336 dreisilbrige und 2.268 viersilbrige. Interessant ist auch, dass das Vertauschen der Silben die Bedeutung umkehren kann: fala – gut, lafa – schlecht.

Der Vorteil diese Entwurfes, der zu seiner Zeit viel Beachtung fand, ist, dass diese Sprache nicht nur gesprochen, sondern auch gepfiffen oder auf einem Instrument gespielt werden kann. Vincent Gajewski entwickelte um 1870 für Soresol auch eine eigene stenografische Schrift.

2.4.2. Volapük

1880 stellte der österreichische Pastor Johann Martin Schleyer seine „Weltsprache“ vor. Nach eigenen Angaben kam ihm die Idee zur Grammatik dieser Kunstsprache in einer schlaflosen Nacht: durch rückwärts angefügte Vokale sollten die Fälle, durch vorn angefügte Vokale die Formen des Zeitworts ausgedrückt wurden. Daher musste er alle Vokabeln diesen Kriterien anpassen, d.h. alle Wörter mussten mit einem Konsonanten beginnen und auf ebensolchen enden, wobei das S am Ende nicht verwendet werden durfte, da es den Plural markierte. Den Wortstämmen legte er zwar die Wörter der englischen Sprache zugrunde, musste diese aber den oben genannten Anforderungen entsprechend anpassen und verstümmeln: world – vol, speak – pük, rose – lol. Da Homonyme nicht existieren dürfen, sind sich viele Wörter sehr ähnlich, was das Behalten und Unterscheiden aber außerordentlich erschwert. Wörter wie pap, bap, bab, bäb, bäp, päb, pep, peb, bep, beb verursachen viele Verwechslungen.

Volapük benutzt 27 Buchstaben: a b c d e f g h i j k l m n o p r s t u v x y z ä ö ü – wobei C einem tsch, J einem sch, Y einem j, V stets einem w entspricht. Die anderen Buchstaben lesen sich wie im Deutschen. Die Wörter sind immer endungsbetont.

Das Nomen hat je vier Fälle in Singular und Plural: men – der Mensch, mena – des Menschen, mene – dem Menschen, meni – den Mensch, mens – die Menschen, menas – der Menschen, menes – den Menschen, menis – die Menschen. Das Adjektiv wird in der Regel mit der Endung –ik gebildet und bleibt unverändert: menik – menschlich. Das Verb ist sehr formenreich: stopön – stehen bleiben, stopob – ich bleibe stehen, stopobs – wir bleiben stehen, stopod – ich und du bleiben stehen, stopods – wir und ihr bleiben stehen, stopol – du bleibst stehen, stopols – ihr bleibt stehen, stopor – Sie bleiben stehen, stopors – Sie alle bleiben stehen, stopom – er bleibt stehen, stopoms – sie bleiben stehen, stopof – sie bleibt stehen, stopofs – sie bleiben stehen, stopon – es bleibt stehen, stopons – sie bleiben stehen, stopoy – man bleibt stehen, nifos – es schneit (ohne Subjekt!). Durch voranstellen von Vokalen werden dann die zeitlichen Beziehungen dargestellt: o- für das gewöhnliche Futur, u- für das zweite Futur, e- für das Perfekt, ä- für das Imperfekt, i- für das Plusquamperfekt und a- gegebenenfalls für das Präsens. Dieses Prinzip funktioniert auch bei Adverbien: del – Tag, adelo – heute, odelo – morgen, idelo – gestern. Durch ein vorangestelltes p- werden die entsprechenden Passivformen erzeugt. Im Satzbau gibt es im übrigen kaum Abweichungen zum Deutschen.

Am Anfang war die Sprache sehr erfolgreich, erwies sich in der Praxis aber als schwer erlern- und verstehbar, weshalb der Boom bald verebbte. Es wurden mehrere Reformen angestrebt – am bekanntesten das Idiom Neutral von Waldemar Rosenberger (1902). Um 1930 gelang dem Niederländer A. de Jong eine Neubearbeitung der Grammatik, die heute allgemein anerkannt wird. Trotz seiner Mängel kommt Volapük aber dem modernen Bedürfnis nach Kürze und Prägnanz sehr entgegen!

Und so klingt das Vaterunser auf Volapük: O Fat obas, kel binol in süls, paisaludomöz nem ola! Kömomöd monargän ola! Jenomöz vil olik, äs in sül, i su tal. Bodi obsik vädeliki givolös obes adelo. E pardolös obes debis obsik, äs id obs aipardobs debeles obas. E no obis nindukolös in tentadi, sod aidalivolös obis de bad.

2.4.3. Esperanto

Im Juli 1887 veröffentlichte der Pole Ludwig Lazarus Zamenhof unter dem Pseudonym „Doktoro Esperanto“ sein Lehrbuch zu seiner „Internacia lingvo“ in russischer Sprache. Doch schon kurze Zeit später erschien sein Buch auch auf Polnisch, Französisch, Deutsch, Englisch, Hebräisch und Jiddisch, und „Esperanto“ wurde alsbald die übliche Bezeichnung für die Sprache selbst. Esperanto ist bis dato die erfolgreichste Welthilfssprache und hat dem Volapük rasch den Rang abgenommen. Das Alphabet kennt 27 Buchstaben: A B C Ĉ D E F G Ĝ H Ĥ I J Ĵ K L M N O P R S Ŝ T U V Z – wobei Ĉ (CX) einem tsch, Ĝ (GX) einem dsch, Ĥ (HX) einem ch, Ĵ (JX) einem j wie in Journal und Ŝ (SX) einem sch, V einem w und Z einem stimmhaften s entspricht. Charakteristisch für das Esperanto ist die genaue Kennzeichnung der Wortklassen sowie der agglutinierende Sprachbau. Alle Substantive enden auf –o, alle Adjektive auf –a, alle Verben auf –s. Ein System aus Vor- und Nachsilben erlauben eine reichhaltige Begriffsbildung. Einige Beispiele: patro – der Vater, patron – den Vater, patroj – die Väter, patrojn – den Vätern, patra – väterlich, gepatroj – die Eltern, patrino – die Mutter, patrina – mütterlich, bopatro – Schwiegervater, bogepatroj – Schwiegereltern, patraro – Vätergruppe, partinaro – Müttergruppe, patreco – Vaterschaft, partineco – Mutterschaft, patrejo – Vaterhaus, patreto – Väterchen etc. Wie daraus ersichtlich wird, unterscheidet das Esperanto zwei Fälle im Singular und Plural (Nominativ und Akkusativ). Das Adjektiv wird übereingestimmt: mi vidas la bonajn patrinojn – ich sehe die schönen Mütter. Vom Adjektiv lassen sich ebenfalls Derivate bilden: bona – gut, malbona – schlecht, bone – gut (Adverb), pri bona – besser, prej bona – am besten, bonega – hervorragend, boneco – Güte, malboneco – Schlechtigkeit, bonulo – Gutmensch etc. Das Verb kennt vor allem folgende Formen: vidi – sehen, vidas – Personalform im Präsens, vidis – Personalform der Vergangenheit, vidos – Personalform der Zukunft, vidu – sieh (Imperativ), vidus – Konditional, vidanta – nun sehend, vidinta – sehend gewesen, vidonta – sehen werdend, vidata – nun gesehen, vidita – einst gesehen, vidanda – sehenswert, videbla – sichtbar, vidilo – Sichtgerät, vidadi – glotzen, vidisto – Zuseher, videjo – Schauraum etc.

Bis zum zweiten Weltkrieg nahmen die Sprecherzahlen des Esperanto stetig zu. Auch ein Revisionsversuch namens IDO von Couturat und Beaufort (1907) konnte daran nichts ändern. Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus kam allerdings die große Zäsur: Aufgrund der pazifistischen und internationalistischen Ideologie von Zamenhof wurde Esperanto sowohl von Hitler als auch von Stalin verboten und seine Anhänger verfolgt. Heute wird Esperanto von mehreren Millionen Menschen in über 120 Staaten gesprochen.

Es folgt das Vaterunser auf Esperanto: Patro nia, kiu estas en la cxielo, Via nomo estu sanktigita. Venu Via regno, plenumigxu Via volo, kiel en la cxielo, tiel ankaux sur la tero. Nian panon cxiutagan donu al ni hodiaux. Kaj pardonu al ni niajn sxuldojn,
kiel ankaux ni pardonas al niaj sxuldantoj.
Kaj ne konduku nin en tenton, sed liberigu nin de la malbono. Amen.

2.4.4. Latino sine fexione

1903 schlug der italienische Mathematiker Giuseppe Peano mit dem Artikel De Latino sine Flexione, Lingua Auxiliare Internationale eine Welthilfssprache vor, die – wie der Name bereits verrät – eine Form des Lateins ohne die komplizierten Flexionen darstellte. Er argumentierte, dass eine eigene Welthilfssprache nicht nötig sei, da es bereits Latein als Weltsprache gäbe. Als Sprachbeispiel folgt hier das Vaterunser in dieser Sprache: Patre nostro, qui es in celos, que tuo nomine fi sanctificato. Que tuo regno adveni; que tua voluntate es facta sicut in celo et in terra. Da hodie ad nos nostro pane quotidiano. Et remitte ad nos nostros debitos, sicut et nos remitte ad nostros debitores. Et non induce nos in tentatione, sed libera nos ab malo. Es gab und gibt übrigens viele ähnliche Versuche zur Wiederbelebung des Lateinischen, so zum Beispiel Lingua Franca Nova (1995) von C. George Boeree, Europanto (1996) von Diego Marani, Ekspreso (1996) von Jay Bowks, Latina Nova (1999) von Henricus de Stalo, Latino Moderne (1999) von David Th. Stark, Ludlange (2000) von Cyril Brosch, Latin-Imaginari (2000) von James E. Schuler u.v.a.

2.4.5. Ro

Eine völlig apriorische und philosophische Sprache veröffentlichte der amerikanische Prediger Eward Powell Foster 1906. Seine Idee war, dass uns die Wörter einer Kunstsprache – wie eine Art von Bild – bereits verraten müssten, was sie bedeuten. In 24 Jahren schuf er dann ein System, wobei jedem Laut eine kategoriale Bedeutung zukommt, wodurch sich die Bedeutung eines Lautgebildes erschließt. Das Konzept erinnert sehr an Leibniz’ Idee von einer Charakteristica universalis. Auch er versuchte, die Buchstaben der Gedanken zu einer universellen Sprache kombinatorisch zu verbinden.

Ro benutzt das lateinische Alphabet zuzüglich der seltenen Verbindungen dh und th als bedeutungsvolle Grundelemente. Diese werden gewissen Kategorien zugeordnet, wobei sich Foster an Aristoteles orientiert. So steht B für Substanzen oder Essenzen, C für Qantitäten, D für Orte, G für Qualitäten, J für Relationen u.s.w. Mit den angeschlossenen Vokalen werden die Kategorien weiter differenziert. Die Stammwörter bestehen in der Regel aus Konsonant+Vokal+Konsonant. Der Vokal der zweiten Silbe gibt dann die Wortklasse an: a für ein konretes Nomen, e für ein Verb, i für ein Adverb, o für ein Adjektiv und u für ein abstrktes Nomen. Initiale Vokale erfüllen eine andere Funktion: a- kennzeichnet Pronomen, e- markiert Verbformen, i- und o- zeigen uns Präpositionen (mit jeweils gegenteiliger Verwendung) und u- steht für Konjunktionen. Finales Z kennzeichnet den Plural, finales E den Genetiv oder den Possessiv. Die Syntax folgt dem Englischen (Subjekt – Verb – Dativobjekt – Akkusativobjekt). Die Aussprache entspricht weitgehend dem Englischen, nur C entspricht einem sch, DH einem stimmhaften Lispellaut, J dem j in Journal, Q einem ng, X einem ch.

Nachfolgend die jeweiligen Kategorien mit Beispielen: A  (Pronomen: ab – ich);  BA  (Sache, Ding: babnac – Sauerstoff); BE  (Materie: becaf – Schaum); BI  (Meteorologie: bidlab – Wirbelwind); BO  (affizierende Materie: bocet – Blitz); BU  (Geographie: Budval – Vereinigte Staaten); CA  (Quantitäten: cafab – Anzahl); CE  (Teil: cebac – Stück); CI  (Komparativa: cifod – riesig, gewaltig); CO  (Verbindungen: codef – anhängen); CU  (Ganzheit: cudi – total, völlig); DA (Orte: dabag – Position); DE (Räume: debab – Linie); DI (Kleidung: dirab – Skirt); DO  (Möbel: dodab – Bett); DU (Gebäude: dubal – Haus); E (Verben: eba – sein); FA (Formen: facaq – Struktur); FE (Ästhetik: fepkac – Baseball); FI (Begehrlichkeiten: fibac – reward); FO (Logik und Dialektik: focap – Disputation); FU  (Geometrie: fudad – Dreieck); GA (Qualitäten: gabak – Natur); GE (Messungen: gebrac – Zoll); GI (Länge, Ausdehnung: gibel – elongate); GO  (Gegensatz zu „GI": godod – klein); GU (Gegensatz zu „ci": guboc – ungleich); HA  (Habe: hab – haben); HE (Zukommen: hec – acquire); HI  (Wünsche, Besitz: hiv - to covet); HO (Transfer: hob – geben); HU (Verluste: hum – discard); I (Präpositionen: in – in); JA (Relationen: jabefu – Referenz, Bezug); JE (Anfang: jeb – beginnen); JI (Mitte: jifob – zentral); JO  (Ende: jobed – conclude); JU (of orderliness: jubuf – Uniformität); KA  (Verben der Kraft: kaf – ziehen); KE (Ortsveränderungen: kecev – spazieren); KI  (k plus i- Präpositionen: kidjeb – Annäherung); KO  (Gegensatz zu „KI": kobec – retreat); KU  (Veränderungen: kubed – alter); LA  (Gegebenes: labic – aktuell); LE (Pflanzenmorphologie: lecag – Rhizom); LI (Leben: libo – lebendig, lebend); LO (Gegensatz zu „LI": obod – tot); LU (Pflanzennamen: lugacan – Wassermelone); MA  (Gegensatz zu „LA": mabob – unwirklich); ME (Tiermorphologie: mebac – Körper); MI (Stimme und Laute: mibex – quacken); MO (expressive Akte: mokef – complain); mu  (Tierreich: mugsaf – Motte); N (Negation oder Gegensatz: nau – Nichts); O (Gegensatz zu „I": obo – rückwärts); PA (Instrument, Werkzeug: paltaf – Schere); PE  (Gefäße: pefal – Flasche); PI  (Fahrzeuge: pibwad – wheelbarrow); PO (Nahrung: pojag – gravy); PU  (Abfälle: pucag – garbage); RA  (Personen: radac – Knabe); RE  (Gedanken und Ideen: rebec – denken); RI (retain ideas: ribec – erinnern); RO (Reden und Sprechen: rofad – Vokal); RU (Schreiben und Drucken: rucag – Dokument); SA (allgemeine Gefühle: sabap – Stimmung); SE (persönliche Gefühle: sedab – contentment); SI (gegenseitige Gefühle: sibra – Freund); SO (Moral, Ethik, Recht: soled – deserve); SU  (Übermenschliches: Suva – Gott); TA  (Zeit: tam – Jahreszeit, Saison); TE  (Dauer: telob – plötzlich); TI (Zeitpunkt: tim – nächster); TO (Rast, Stop, Verlangsamung: tokeb – aufhören); TU (kurze Zeiten: tubot – temporary); U   (Konjunktionen: ud – und, ur – oder, ut – dass); VA  (Wille: vadis – willingly); VE  (Vorhaben, Absicht: veber – Plan); VI  (Wille am Werk: videl – Kontrolle); VO  (gemeinsamer Wille: vobza – Demokratie); VU  (gegenseitiger Wille: vudife – anbieten); W  (Interrogationen: wabek – fragen); Y  (Affirmationen: yum – müssen); ZA (Zahlen: zac – zwei, zakic – doubly); ZE  (Kollektive: zedac – Herde); ZI  (re-, wieder: zibec – wiederholen); ZO  (gedruckte Liste: zobac – Katalog); ZU (continuance: zubolo – established). Und so klingt das Vaterunser: Abze radap av el in suda, ace rokab eco sugem, ace rajda ec kep, ace va eco, uz in suda asi in buba.

2.4.6. Novial
Der dänische Sprachforscher Otto Jaspersen schuf die Plansprache Novial (Nov International Auxiliari Lingue), die er 1928 veröffentlichte. Folgende Kriterien waren unter anderem für sein Projekt maßgeblich: Das Lautsystem muss so einfach wie möglich sein und darf weder Laute noch Verbindungen enthalten, die vielen Nationen Schwierigkeiten bieten. Deshalb lässt man nur die fünf Vokale a, e, i, o, u zu, dagegen weder Nasalvokale noch gerundete Vorderzungenvokale (ü, ö), die in so wichtigen Sprachen wie Englisch, Spanisch, Italienisch, Russisch fehlen. Unter den Konsonanten sind sowohl palatalisierte Laute (wie die im franz. agneau; it. ogni, egli; sp. año, calle), als die deutschen ch- und die englischen th-Laute unerträglich. Durch alleinigen Gebrauch von s, wo einige Sprachen ein stimmloses s von einem stimmhaften (phonetisch z) scheiden, erhält man eine bedeutende Vereinfachung, nicht allein deshalb, weil viele Völker diese Unterscheidung nicht kennen, sondern auch, weil die Verteilung der beiden Laute auf die Wörter notwendigerweise in vielen Fällen willkürlich wäre und somit für jedes Wort besonders müsste auswendig gelernt werden. Akzent (Druck) darf nicht verwendet werden um Wörter auseinanderzuhalten (aus dem Vorwort von Novial Lexike, 1930).

Daraus geht hervor, dass Novial den gewöhnlichen lateinischen Buchstabenvorrat nutzt. Die Substantive haben ein natürliches Geschlecht und enden daher gewöhnlich auf –e für Neutrum und Kommune. Soll das Geschlecht speziell markiert sein, so kommt anstelle des –e für männliche Namen ein –o und für weibliche ein –a in den Auslaut. Der Plural wird mit –s gebildet, der Genetiv bzw. Possesiv mit –n. Falls nötig, kann ein Akkusativ mit –m gebildet werden, in der Regel genügt aber die Wortstellung im Satz. Das Adjektiv kennzeichnet ein –i, das aber auch entfallen kann. Um es zu substantivieren, genügt die Ersetzung durch –e, z.B. boni – gut, bone – der oder die Gute. Um ein konkretes Objekt zu denotieren wird die Endung –u verwendet: bonu – ein gutes Objekt. Das Abstraktum erhält die Endung –um: bonum – Güte. Das gewöhnliche Adverb trägt die Endung –im, Modaladverbien die Endung –man, Lokaladverbien die Endung –lok, Temporaladverbien die Endung –tem.

Verben enden auf einen beliebigen Vokal oder (selten) aus –s. Die Nennform wird mit vorangestelltem Partikel tu ausgedrückt. Die Vergangenheit trägt die Endung –[e]d, die Zukunft wird mit den Partikeln sal oder ve gebildet. Für die Möglichkeitsform gibt es das Partikel vud. Die Vorvergangenheit kennt das Hilfsverb ha. Die einzelnen Zeiten werden dann analog wie im Englischen gebildet. Die Partizipien besitzen die Endungen –[e]nti (aktiv) und –ti (passiv). Folgende Verbableitungen sind noch möglich: Verben auf –a bilden Substantive aus –o und auf –tione (tu prisenta – präsentieren, prisento – das Präsentieren, prisentatione – Präsentation). Verben auf –e ersetzen den Auslaut durch –o oder –ione (tu opine – meinen, opino – das Meinen, opinion – Meinung). Verben auf –i hängen ein –o oder ein –tione an (tu voli – wollen, volio – das Wollen, volitione – der Wille). Und schließlich hängen Verben auf –u die Endung –o oder –tione an (tu solu – lösen, soluo – das Lösen, solutione – Lösung). Da das System zwar sehr naturalistisch – dafür aber ziemlich unübersichtlich ist, gab es auch hier Versuche zur Vereinheitlichung, wie z.B. das Novial Pro von Marcos Franco.

Dies ist das Vaterunser in Novial: Nusen Patro kel es in siele, mey vun nome bli sanktifika, mey vun regno veni, mey vun volio eventa sur tere kom in siele. Dona a nus disidi li omnidiali pane, e pardona a nus nusen ofensos kom anke nus pardona a nusen ofensantes, e non dukte nus en li tento ma fika nus liberi fro li malum.

2.4.7. Basic English

Mit einem monolinguales Projekt einer Welthilfssprache wurde Charles K. Ogden berühmt. Er veröffentlichte 1930 sein Buch Basic English: A General Introduction with Rules and Grammar. Ogden gründete auch das Orthological Institut zur Förderung der erforderlichen Lehrmittel für Basic English. Odgen stellte fest, dass, wenn von den rund 25.000 Wörtern im Oxford Pocket English Dictionary die Redundanzen entfernt und durch Kombinationen von einfachen Wörtern ersetzt werden würden, 90 Prozent der in diesem Wörterbuch enthaltenen Begriffe mit insgesamt nur 850 Wörtern wiedergeben werden könnten. Diese verdichtete Wortliste vereinfacht den Aufwand, eine kommunikationsfähige Sprache mit ihren Ausnahmen zu erlernen. Nachweislich kamen berühmte Redner mit einem aktiven Wortschatz von etwa 800 Wörtern aus. Auch die Grammatikregeln hat er vereinfacht und abgeglichen. So erhält er folgendes Regelwerk:

1. Die Mehrzahl bildet sich durch Hinzufügen von -S. Die normalen Ausnahmen in Standard-Englisch bleiben gültig, insbesondere -ES und -IES.

  1. 300 Substantive verfügen über abgeleiteten Formen mit -ER und –ING sowie je zwei Adjektivformen mit -ING und -ED.
  2. Adverbien enden auf -LY.
  3. Steigerungsformen benützen MORE und MOST. Es ist damit zu rechnen, Formen mit -ER und -EST im Alltag anzutreffen.
  4. Die Verneinung der Adjektive bildet man mit UN-.
  5. Zum Fragen benützt man die Umkehrung mit DO.
  6. Operatoren und Pronomen werden wie im Standard-Englisch gebeugt.
  7. Zusammengesetzte Wörter werden aus zwei Substantiven (milkman) oder mit einem Substantiv begleitet von einem Direktivum (sundown) gebildet.
  8. Maße, Zahlenangaben, Währungen, Kalenderangaben und internationale Begriffe werden in englischer Form benützt.

10. Notwendige technische Ausdrücke werden - wie jeweils üblich - hinzugenommen.

Und so hört sich das Vaterunser in Basic English an: Our Father in heaven, may your name be kept holy. Let your kingdom come. Let your pleasure be done, as in heaven, so on earth. Give us this day bread for our needs. And make us free of our debts, as we have made free those who are in debt to us. And let us not be put to the test, but keep us safe from the Evil One.

2.4.8. Glosa

Glosa ist eine Welthilfssprache, die von Lancelot Thomas Hogben (als Interglosa) 1943 entworfen und von Ronald Clark und Wendy Ashby in den 80iger Jahren weiterentwickelt wurde. Die Sprache ist großteils isolierend, das heißt, die einzelnen Wörter bleiben unverändert und die Wortart ergibt sich aus der Stellung innerhalb des Satzes. Es ist somit eine analytische Sprache ohne Beugungen, Geschlechter oder Sonderzeichen. Allerdings gibt es zum Teil agglutinierende Suffixe, die die Wortbedeutung modulieren. Die Syntax folgt englischem Vorbild: Subjekt – (Negation) – Verb – Dativobjekt – Akkusativobjekt. Der Wortschatz setzt sich aus lateinischen und griechischen Wurzeln zusammen, da viele Wörter durch Wissenschaft und Technik international bekannt sind. Es gibt einen Grundwortschatz von tausend Wörtern (Glosa 1000) für den alltäglichen Gebrauch. Darüber hinaus gibt es einen erweiterten Wortschatz von sechstausend Wörtern (Glosa 6000) für gehobene und literarische Ansprüche. Glosa verwendet das lateinische Alphabet ohne Sonderzeichen und ohne Y und W. Für die Aussprache gelten folgende Regeln: C entspricht immer deutschem tsch, J dem j wie in Jahr, Q dem deutschem ku (Q wird immer ohne U geschrieben), S dem ß, SC einem sch, V einem w, X einem ks und Z dem s. Es besitzt daher folgendes Zeicheninventar: A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V X Z. Die Vokale werden stets lang und offen gesprochen. Betont wird der Vokal vor dem letzten Konsonanten. Hier das Vaterunser als Textbeispiel: Na parenta in Urani; na volu; Tu nima gene revero. Tu krati veni; Tu tende gene akti epi Geo homo in Urani Place; don a na nu-di na di-pane; e Tu pardo na plu mali akti. Metro na pardo mu; qui akti mali de na. E ne dirige na a plu moli ofere; sed libe na ab mali. Ka Tu tena u krati, u dina e un eufamo pan tem.

Der Zoologe und Genetiker Lancelot Thomas Hogben wurde aber vor allem durch seinen Bestseller Mathematik für alle (1933) bekannt.

2.4.9. Interlingua

1951 veröffentlichte der Exildeutsche Alexander Gode-Aesch sein Plansprachenprojekt Interlingua mit Unterstützung der IALA (International Language Association) in New York. Er schloss damit eigentlich an ähnliche Vorläuferprojekte wie Mundolingue (1890) des Österreichers Julius Lott junior oder wie Occidental (1922, ab 1945 ebenfalls Interlingua) vom Baltendeutschen Edgar Wahl an. Die Idee hinter diesen Projekten ist die Zusammenführung des gemeinsamen europäischen Wortschatzes ohne viele Veränderungen oder Anpassungen in der Orthographie. Grammatik und Wortschatz entstammen vor allem folgenden Sprachen: Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Portugiesisch. Es handelt sich daher um eine extrem naturalistische Plansprache, das zugunsten der Natürlichkeit der Wörter auf eine starke Regelmäßigkeit der Grammatik verzichtet. Mit etwa 1000 Sprechern in 25 Ländern ist Interlingua heute einziger ernstzunehmender Konkurrent zum Esperanto unter den Plansprachen. Allerdings beschränkt sich der Gebrauch fast ausschließlich auf die schriftliche Kommunikation, da Interlingua über keine einheitliche Aussprachenorm verfügt. Sie ist daher eher eine historisierende Lesesprache. Das Projekt Interlingua verfolgt drei Prinzipien: Sie ist europäisch, d.h., das ererbte internationale europäische Wortgut muss ohne willkürliche Veränderungen übernommen werden. Sie ist modern, d.h., die grammatischen Strukturen der entwickeltsten europäischen Sprachen müssen Leitbild sein. – Sie ist einfach, d.h., dass unnötiger Wildwuchs, in dieser gemeineuropäischen Sprache auf ein angemessenes Maß reduziert werden muss. Abschließend folgt als Textbeispiel das Vaterunser in Interlingua: Nostre Patre, qui es in le celos, que tu nomine sia sanctificate; que tu regno veni; que tu voluntate sia facite super le terra como etiam in le celo. Da nos hodie nostre pan quotidian, e pardona a nos nostre debitas como nos pardona a nostre debitores, e non duce nos in tentation, sed libera nos de malo.

2.5. Andere Plansprachen

Es gibt aber auch Kunstsprachen, die nicht als Welthilfssprachen konzipiert sind, sondern anderen Motiven entspringen. Hier folgen einige Beispiele:

2.5.1. Lingua ignota

Hildegard von Bingen erhielt der Überlieferung nach um 1140 von Gott den Auftrag, alles niederzuschreiben, was sie in ihren Visionen erfuhr. So entstand ihr erstes Werk „Wisse die Wege“. Es folgten viele weitere Werke, unter anderem auch die Lingua ignota (unbekannte Sprache) sowie die Litterae ignotae (unbekannte Buchstaben). Es handelt sich dabei um neue Wortschöpfungen zu Begriffen aus ihren Interessensbereichen, die sie zwanglos in einen lateinischen Grundtext einfließen ließ. Zum Teil verwendete sie dazu auch ein eigenes Alphabet, eben die Litterae ignotae. So hieß bei ihr z.B. Gott – Aigonz, Engel – Aieganz, heilig – Zuuenz, Retter – Liuionz, Teufel – Diueliz, Geist – Ispariz, Mensch – Inimois, Mann – Jur, Frau – Vanix, Prophet – Korzinthio, Apostel – Sonziz, Jungfrau – Vrizoil, Witwe – Jugiza, Vater – Peueriz, Mutter – Maiz, Ernährer – Hilzpeueriz, Sohn – Scirizin, Kleinkind – Limzkil, Knabe – Zains, Jugend – Zunzial etc. Was sie damit letztendlich bezweckte, ist unbekannt.

2.5.2. Ars signorum

1644 veröffentlichte der Engländer John Bulwer seine Werke Chirologia, or the Natural Language of the HandChironomia or the Art of Manual Rhetoric. Er schrieb dazu folgendes (nach Haskell 1995): Der mittlere Finger befindet sich, wie manche Kritiker der Chronomie (sagen), wegen seiner Faulheit und Tatenlosigkeit in der Mitte, da er des Schutzes der benachbarten Finger zu bedürfen scheint; und da er länger als die übrigen ist, wobei Länge und Faulheit gewöhnlich miteinander einhergehen, kann man mit seiner Hilfe auf drastischere Weise die notorische Lasterhaftigkeit von Menschen zum Ausdruck bringen, die andere an Verworfenheit geradeso übertreffen, wie dieser nutzlose Finger die übrigen an Länge. Er geht von der Idee aus, dass es sich bei den menschlichen Gesten um eine vorbabylonische Universalsprache handle, aus der sich die anderen Sprachen entwickelt hatten. Von daher wäre die Gebärdensprache die natürliche Universalsprache der Menschheit.

1661 griff George Dalgarno in seiner Schrift Ars signorum diese Idee noch einmal auf und unternahm den Versuch, eine philosophische Universalsprache für die gesamte Menschheit auf Gebärdenbasis zu entwickeln.

2.5.3. Newspeak

1948 schrieb George Orwell seinen berühmten Roman „1984“, in dem er einen totalitären Staat charakterisiert, der über die technischen Voraussetzungen zur totalen Überwachung seiner Bürger verfügt. Darin wird eine neue Sprache vorgestellt, die im Roman „Newspeak“ genannt wird. Hier ein Auszug aus dem Anhang des Romans, in dem er die Prinzipien von „Newspeak“ vorstellt:

Newspeak was the official language of Oceania, and had been devised to meet the ideological needs of Ingsoc, or English Socialism. In the year 1984 there was not as yet anyone who used Newspeak as his sole means of communication, either in speech or writing. The leading articles of the Times were written in it, but this was a tour de force which could only be carried out by a specialist, It was expected that Newspeak would have finally superseded Oldspeak (or standard English, as we should call it) by about the year 2050. Meanwhile, it gained ground steadily, all party members tending to use Newspeak words and grammatical constructions more and more in their everyday speech. The version in 1984, and embodied in the Ninth and Tenth Editions of Newspeak dictionary, was a provisional one, and contained many superfluous words and archaic formations which were due to be suppressed later. It is with the final, perfected version, as embodied in the Eleventh Edition of the dictionary, that we are concerned here.
The purpose of Newspeak was not only to provide a medium of expression for the world-view and mental habits proper to the devotees of IngSoc, but to make all other modes of thought impossible. It was intended that when Newspeak had been adopted once and for all and Oldspeak forgotten, a heretical thought -- that is, a thought diverging from the principles of IngSoc -- should be literally unthinkable, at least so far as thought is dependent on words. Its vocabulary was so constructed as to give exact and often very subtle expression to every meaning that a Party member could properly wish to express, while excluding all other meaning and also the possibility of arriving at them by indirect methods. This was done partly by the invention of new words, but chiefly by eliminating undesirable words and stripping such words as remained of unorthodox meanings, and so far as possible of all secondary meaning whatever.
To give a single example - The word
free still existed in Newspeak, but could only be used in such statements as "The dog is free from lice" or "This field is free from weeds." It could not be used in its old sense of "politically free" or "intellectually free," since political and intellectual freedom no longer existed even as concepts, and were therefore of necessity nameless. Quite apart from the suppression of definitely heretical words, reduction of vocabulary was regarded as an end in itself, and no word that could be dispenses with was allowed to survive. Newspeak was designed not to extend but to diminish the range of thought, and this purpose was indirectly assisted by cutting the choice of words down to a minimum. Newspeak was founded on the English language as we now know it, though many Newspeak sentences, even when not containing newly created words, would be barely intelligible to an English-speaker of our own day. Newspeak words were divided into three distinct classes, known as the A vocabulary, the B vocabulary, and the C vocabulary. It would be simpler to discuss each class separately, but the grammatical peculiarities of the language can be dealt with in the section devoted to the A vocabulary, since the same rules held good for all three categories.

Es folgen einige Absätze zur Grammatik und zum Wortschatz von “Newspeak”. Auffällig ist einerseits, dass die Grammatik und die Wortbildung in vieler Hinsicht Ähnlichkeiten mit dem Esperanto aufweist (z.B. unlight für dunkel, uncold für warm, pluscold für sehr kalt und doublepluscold für extrem kalt), andererseits, dass die Ausdrucksweise frappant an eine politisch korrekte Sprache im modernen Sinn erinnert (unter dem Etikett political correctness breiten sich demnach Newspeak-Tendenzen in den modernen westlichen Sprachen aus).

2.5.4. Sindarin

Sindarin ist die Sprache der Elben in J. R. R. Tolkiens Roman „Herr der Ringe“ (19XX), die das ältere Quenya ablöste. Tolkien entwarf dafür nicht nur eine vollständige Kunstsprache, die in mancher Hinsicht Ähnlichkeiten mit dem Finnischen aufweist (Agglutination), in anderer Weise wieder mit semitischen Sprachen (ausgeprägtes Umlautystem) oder auch mit dem Gälischen (Anlautwechsel), sondern erfand auch eine eigene Schrift dazu.

2.5.5. Klingon

Der Sprachwissenschaftler Marc Okrand erfand im Auftrag von Paramount Pictures für die Star-Trek-Serie die Sprache der extraterrestrischen Klingonen. Urspünglich sollte er nur die Schauspieler betreuen und ihnen eine exotische Ausdrucksweise verleihen. Daraus wurde schließlich die Kunstsprache Klingon mit eigenem Wörterbuch und eigener Grammatik. Um der Sprache einen möglichst ungewöhnlichen Ausdruck zu verleihen, verwendete Okrand viele ausgefallene Laute und Lautverbindungen (z.B. tlh) sowie die ansonsten unübliche Satzstellung: Objekt-Prädikat-Subjekt. Neben dem üblichen Lehrmaterial wurden bisher drei Werke der Weltliteratur in klingonischer Sprache herausgegeben: Hamlet, Gilgamesch und Viel Lärm um nichts.

2.5.6. Lincos

1960 schrieb Hans Freudenthal das Buch Lincos - Design of a Language for Cosmic Intercourse. Die Grundlage dieser Lingua cosmica bildet eine mögliche gemeinsame Basis in Bezug auf Erkenntnisfähigkeit und mathematischer Semantik. Grundelemente dieser kosmischen Telegraphie sind zwei unterschiedliche Signale sowie Pausen. Mit Hilfe dieses minimalen Signalvorrates wird nun ein Informationssystem aufgebaut. Zuerst wird eine Zahlenreihe übermittelt. Dann zum Beispiel die Primzahlen. Später wird mit dem zweiten Signal die Gleichheitsbeziehung zwischen Zahlen symbolisiert u.s.w. Auf diese Weise lässt sich über viele kleine Schritte ein immer komplexeres Zeichensystem aufbauen, mit dem dann auch gezielt Informationen übermittelt werden können. Wie dieses Prinzip wirklich funktioniert, wird im Film Contact (1997) von Carl Sagan und Robert Zemeckis gut veranschaulicht.

2.5.7. LogLan

Das Plansprachenprojekt LogLan (logical language) wurde ab 1956 unter der Leitung von James Cooke Brown mit dem Ziel entwickelt, die Sapir-Whorf-Hypothese zu prüfen. Die verbreitete Sapir-Whorf-Hypothese von der sprachlichen Relativität besagt, dass die Sprache nachdrücklich das Denken und die Weltsicht beeinflusst (und nicht umgekehrt) und dass daher Übersetzungen nur bedingt möglich sind. Zugleich versuchte das Forscherteam um Brown auch, eine vollkommen eindeutige Sprache zu schaffen, die auch die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine erleichtern sollte. Im Juni 1960 wurde das Projekt in Scientific America folgendermaßen vorgestellt: An attempt to fuse the rigor of formal logic with the expressiveness and flexibility of natural language. It's syntactically unambiguous and machine parseable.

Alle Nomen in LogLan enden auf einen Konsonanten. Und alle Prädikate auf einen Vokal. Für die Nomen gibt es zwei Artikel: la für die Angabe der Referenz (la spat – ein Punkt oder einer von den Punkten) und hoi für die Hinweisung oder die sprachliche Anspielung auf ein konkretes Objekt (hoi spat – dieser eine Punkt da, oh Punkt). Die Prädikate verlangen zumeist Nomen als Ergänzung. So erwartet prano (laufen) bis zu vier Ergänzungen (jemand oder etwas läuft wohin? woher? worüber?). Doch nicht alle Ergänzungen müssen auch ausgefüllt sein: mi prano – ich laufe; mi prano tu – ich laufe zu dir; mi prano la spat tu – ich laufe zu dem Punkt von dir aus u.s.w. Mit den Partikeln le und po kann ein Prädikat substantiviert werden: le prano – der Läufer (etwas, das beschrieben werden kann mit „es läuft“); po prano – das Laufen (der Vorgang des Laufens); lepo prano – der Lauf (etwas, das beschrieben werden kann mit einem Vorgang des Laufens).

Hier ein kurzes Textbeispiel (der Klingone Whorf steht gerade vor der Tür des Brown-Labors): Gandias Braon (Lehrer Brown), ba na hijra (etwas ist hier), e djadou mi (und gibt mir Kenntnis) lepo ba danza (vom Zustand von seinem Wunsch) lepo pruduo (vom Ereignis vom Test-Vorgang) le la Uorf bliklimao (der Whorf Möglich-Klar-Machung). Professor Brown, jemand ist da, der die Whorf-Hypothese prüfen will. Die Weiterentwicklung von LogLan nennt sich Lojban.

2.5.8. Toki bona

Das Ziel des Projektes Toki bona von der Linguistin Sonja Elen Kisa aus dem Jahre 2001 ist der sprachliche Minimalismus. Es könnte fast der Eindruck erweckt werden, es ginge um die Konstruktion einer so genannten Protosprache. Der Umfang des verwendeten Wortschatzes ist stark eingeschränkt und umfasst nur etwa 120 Vokabeln. Sie werden in ihrer Form nicht verändert. Die Wörter sind extrem vieldeutig, außerdem kann die Wortart je nach der Stellung im Satz wechseln. Um genauere Aussagen machen zu können, müssen nötigenfalls Wörter kombiniert werden. Es ist aber nicht möglich, komplexe Sachverhalte auszudrücken. Für den alltäglichen Small-Talk reicht es aber vollauf. Zeitformen kennt es nicht – zeitliche Aspekte werden mit Hilfe von entsprechenden Zeitangaben ausgedrückt. Gegebenenfalls werden Trennwörter eingefügt, um Satzbestandteile (Phrasen) zu trennen. Die Grammatik ähnelt jener von tok pisin, besser bekannt als Pidgin English. Die Wörter wurden aber von vielen Sprachen entnommen.

3. Schlusswort

Schon Wilhelm Humbold formulierte die These, dass die jeweilige Sprache eine eigene Weltsicht repräsentiert. Jede Sprache bewortet die Welt in einer spezifischen Weise! Diese These wurde dann vor allem von Sapir und Whorf aufgeriffen, aber auch von den Philosophen Willard Orman Quine und Pierre Maurice Duhem vertreten: der Sprachforscher merkt, dass der Eingeborene „Gavagai“ sagt, wann immer er in dessen Lage „Kaninchen“ gesagt hätte. Dann spielt er dem Eingeborenen „Gavagai“ zu in Umständen, wo er Kaninchen gesagt hätte – stimmt der Eingeborene zu, entscheidet er sich für die hypothetische Übersetzung „Kaninchen“. Doch bleibt – gemäß der Quine-Duhem-These – die Semantik unbestimmt. Allerdings gewährleisten die Symmetrie von Sprache (Sprecher- und Hörerrolle) und die imitative Haltung schon im Spracherwerb Konventionalität und Verlässlichkeit hinsichtlich der Laut-Bedeutung-Assoziationen. Das heißt, dass Sprache nicht privat, sondern auf die Gruppe bezogen ist. Deshalb ist Sprache zwar intersubjektiv, aber gruppenspezifisch. Von daher sollte eine Übersetzung in eine andere Sprache nicht wirklich möglich sein. Auf der anderen Seite wird ständig übersetzt – was im Großen und Ganzen, wenn von Spezifica im Ausdruck und von gebundener Sprache abgesehen wird, kaum Probleme zu geben scheint. Letztendlich bezieht sich Sprache doch vor allem auf die Lebenswelt und die gemeinsamen, intersubjektiven Universalien wie Sinneswahrnehmungen, Emotionen, Lebensfunktionen und soziale Beziehungen. Es zeigt sich auch, dass jeder Mensch grundsätzlich eine noch so verschiedene Sprache erlernen und dieselben Gedanken auch in ihr ausdrücken kann. Fehlen Begriffe für neue Phänomene, werden sie geschaffen; und im Extremfall auch gleich eine neue Sprache. Es ist nicht nur so, dass unsere Sprache unser Denken bestimmt, unser Denken formt auch die Sprache. Plansprachen sind nur ein überdeutliches Beispiel dafür.

Wir sagen: Die Sonne geht am morgen auf und am Abend unter! Der Himmel ist oben, die Erde unten. Doch deckt sich das mit unserem Weltbild? Wir sagen: Die Sonne ist gelb, der Mond silbern, für die Isländer ist der Dotter rot... Doch entspricht das auch unserem Bild von der Welt? Ausdrucksweisen beziehen sich entweder auf den unmittelbaren und primäre Eindruck oder auf unhinterfragte Konventionen. Über unsere Weltanschauung sagt das aber so gut wie gar nichts aus... Aus grammatikalischen Gründen formulieren wir: Es regnet, es ist heiß, es friert. Doch glauben wir an Geister oder verborgene Kräfte dahinter? Doppelte Verneinung ist bei uns verpönt, in Frankreich die Regel. Unterscheidet sich dadurch das Denken grundlegend? Die Sprachlogik ist grundsätzlich die gleiche – die Konvention ist allerdings unterschiedlich. Sprache präsentiert entweder direkte Sinneseindrücke oder aber tradierte Redewendungen. Die Begriffswelt hängt zwar stark von der jeweiligen Lebenswelt ab, passt sich aber auch an den jeweiligen Erkenntnisstand an. Neue Erkenntnisse differenzieren oder konkretisieren alte Begriffe und schaffen neue. Potenziell gibt es daher keine zwingende Abhängigkeit des Weltbildes von der Sprache – wohl aber gibt es einen Zusammenhang von Sprache und Kultur! Vor allem die Konnotation von Wörtern ist stark kulturell determiniert. Und das macht manchmal die Schwierigkeiten beim Übersetzen; vor allem bei der Lyrik, wo es um Stimmungen geht, die nicht in der Kernbedeutung eines Wortes liegen.

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